Ich weiß nicht, wie das bei euch ist. Vielleicht bin ich die einzige, der es so geht, aber das bezweifle ich.
Es gibt Tage, Stunden, manchmal nur Augenblicke in denen man nicht weiß, wie einem geschieht. In denen man sich selbst nicht mehr kennt, nicht weiß wer oder wie man ist. In denen man einfach nur… Ja wie ist? Verzweifelt? Hilflos? - Einfach traurig. In denen es sich anfühlt, als würde sich alles in einem zusammenziehen, sich in die dunkelste Ecke kauern und einfach nur heulen wollen. Es gibt solche Momente. Da muss gar kein Grund, kein konkreter Auslöser da sein. Sie überkommen einen einfach so. Dann ist man "stark", schluckt zwei, drei Mal, atmet durch und hält sich zurück, bis man sicher ist, wirklich allein zu sein.
Und dann?
Dann lässt man einfach los und der Strudel der Traurigkeit nimmt einen auf, dreht die immer gleichen Gedanken um und um und um und um und um... Bis nichts mehr am gleichen Fleck liegt und sich doch nichts geändert hat. Bis sämtliche Flüssigkeitsreserven ausgeweint sind. - Danach folgt die Ruhe. Erst zitternd. Nach neuem Atem ringend.
Stille.
Irgendwie fühlt man sich dann besser, obwohl sich doch immer noch nichts geändert hat.
Wenn dieses Gefühl - der Sog der Traurigkeit - aber länger anhält, gibt man sein Bestes sich nichts anmerken zu lassen.
"Alles ok mit dir?"
"Klar. Mir geht’s gut."
Sieht der andere die Tränen, die ich schnell wegblinzle? Sieht er sie nicht? Oder will er sie nicht sehen? Darf oder soll er sie überhaupt sehen? Für gewöhnlich verstecke ich sie. Seit Jahren hab ich schon nicht mehr vor den Augen anderer geweint. Es schickt sich nicht. Ist es Schwäche?
Wie auch immer. Aus irgendeinem Grund haben wir alle das Gefühl, anderen unsere Traurigkeit nicht zeigen zu dürfen. Sie in uns einzuschließen zu müssen. Aber ist das richtig? Haben wir nicht alle das Recht, auch mal nicht zu funktionieren? Das Recht, einfach mal am Boden zu sein. Fertig mit allem?
Der ein oder andre mag sagen: " Reiß dich zusammen! Anderen geht es viel schlechter." Dann sieht man die Nachrichten. Tote, Verletze, Krieg, Gewalt, Armut, … Die Liste ist lang. Und dann macht man sich selbst Vorwürfe. "Mir geht’s so gut. Ich bin die Letzte, die sich beschweren darf." Stimmt das? Ist Schmerz nicht eine relative Angelegenheit?
Ein Beispiel. Schnauzt man ein Kind, dass sich gerade das Knie aufgeschlagen hat und weinend am Boden sitzt, an: "Reiß dich zusammen! Andere Kinder müssen viel Schlimmeres ertragen." Nein, man tröstet das Kind, nimmt es in den Arm und klebt ein Pflaster auf die blutige Stelle. Und dann ist alles nur noch halb so schlimm. Schmerz ist relativ!
"Das kann man nicht vergleichen", möchte nun jemand sagen. Kinder sind Kinder. - Ja mag sein. Und Menschen sind Menschen. Warum nehmen wir uns selbst dieses Recht auf Traurigkeit, wenn es uns, nachdem wir diese ausleben durften, doch besser geht? Und wer sagt überhaupt, dass es schwach ist, zu seinem Inneren, seinen Gefühlen und Gedanken zu stehen und dies auch nach außen Preis zu geben? Wer hat uns diese Last auferlegt, durch die wir krampfhaft versuchen zu funktionieren? Den Erwartungen zu entsprechen. Sind es nicht wir selbst?
Wir selbst sind es, die von uns erwarten immer stark zu bleiben. Aber hey, das muss echt nicht sein! Nicht in diesem Sinne. Nicht im Sinne von, Freude ist okay und Trauer muss weggesperrt werden. Es ist genauso okay mit sich zufrieden zu sein. Zufrieden ist vielleicht das falsche Wort. Sagen wir, sich so zu nehmen, wie man gerade ist. Und das kann traurig sein, wütend, glücklich, total verrückt oder einfach nur müde. Das kann ausgelassen sein - genauso wie ruhig und nachdenklich. Und wir müssen lernen, das alles, unser Sein (ja das klingt jetzt ein wenig pathetisch) so zu akzeptieren wie es ist. Ich will nicht sagen, dass wir uns allen Wendungen und Rückschlägen resigniert hingeben sollen, nein! Ich will sagen, dass es auch in Ordnung ist, wenn man mal absolut nichts mit sich anzufangen weiß. Und da will ich dann von niemandem ein "Reiß dich mal zusammen" hören. Es ist genauso wichtig, die negativen Gefühle zu durchfühlen. Das ist doch schließlich das, was uns zu Menschen macht. Was uns von funktionierenden Maschinen unterscheidet. Wir sind nicht perfekt. Und das müssen wir auch gar nicht sein. Müssen wir nicht!
Puh - das musste jetzt einfach mal raus.
Eure Freja
P.S.: Wenn ich ehrlich bin, funktioniert die Sache bei mir meistens auch bloß in der Theorie. Ich sitze gerade nach einem Frustrationshöhepunkt allein in meinem Zimmer… Trotzdem geht’s mir jetzt besser. Ich hoffe euch auch…
Erster Advent, kaltes Wetter, graue Wolken, Weihnachtsbeleuchtung, rote Kerzen, Tannenzweig- und Lebkuchenduft.
Das volle Programm.
Freudiges Erwarten soll es sein. Friedliches Miteinander. Großzügigkeit den Armen gegenüber.
Ist es das?
Ich fühle nur Lehre. Durchspielen der immer gleichen Traditionen. Vielleicht gibt das eine gewisse Sicherheit. Egal wie es einem in dieser Zeit geht, man weiß wie man sich zu verhalten hat. Freundlich, friedlich , großzügig.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Auch wenn einem ganz anders zumute wäre. Auch wenn man lieber mal so richtig streiten würde. Mal so richtig wütend sein. Mal so richtig alles aufrütteln und verändern wollen würde - Jetzt ist erst mal Advent.
Advent also Ruhe bitte.
Und irgendwie fürchtet man sich doch.
Auch wenn es heißt, dass das nichts bringt.
Auch wenn man man hört, dass es das noch schlimmer macht.
Auch wenn man in Sicherheit ist.
Auch wenn man keine Ahnung davon hat, wie schrecklich es für all die Menschen dort sein muss.
Man fürchtet sich doch.
Man hat Angst, dass es so weiter geht.
Man hat Angst, dass es noch schlimmer wird.
Man hat Angst, dass sich alles verändert. Nicht zum Besseren.
Und trotzdem muss einem klar sein, dass das nicht alles ist.
Wo Schatten ist, da ist auch Licht.
Und trotzdem muss man sich trauen.
Sich trauen mutig zu sein.
Mutig genug zu hoffen.
Zu hoffen, dass alles wieder gut wird.
Sonst wird man noch verrückt.
In Mitgefühl für all jene in Paris.
Freja
Manchmal brauche ich dringend jemanden zum Schweigen ...
Der Herbst hat Einzug erhalten. Die Himmel werden von Tag zu Tag grauer, die Luft riecht nach Regen, Gischt und Erde. Die Zeit der Langeweile beginnt wieder. Kalter Regen, der an die Fenster klopft, lausiger Wind, der einen zum Schaudern bringt und die Pullover werden wieder aus den Schränken gekramt.
Schade. Ich hätte den Sommer noch länger ausgehalten. Für alle Pärchen beginnt die gemeinsam-in-eine-Decke-Kuschel-Zeit. (Hopphopp! Neid verschwinde!) Was soll's. Ich hab meinen Hund, meine Familie und meine Bücherfreunde. Eigentlich könnte es ganz gemütlich sein. Hätte nicht schon längst das nächste Schuljahr wieder begonnen. Es ist so unglaublich ermüdend. Der immer gleiche Trott. Morgens hin, abends zurück. Ab und an ein Lichtblick. Ein paar wunderbar herbstliche Minuten auf den täglichen Spaziergängen mit Finch. Wie schön könnte es sein, jetzt einfach mit einem Buch im Wohnzimmer zu sitzen und meiner Mutter zuzuhören, wie sie beim Herumräumen leise singt, meine Füße an Finchs Fell zu wärmen und mich ab und an ein wenig mit meinem Bruder zu streiten.
Aber nein. Stattdessen sitze ich im Bus auf dem Weg zur Schule, der Regen malt grau-schwarze Streifen an die Fenster, mein Atem lässt die Scheibe beschlagen. Der Typ neben mir ist eingenickt. Morgens ist es wieder schrecklich dunkel. Kaum auszuhalten.
Ich habe nicht wirklich etwas gegen meine Schule, ich mag die Leute, komm mit allen gut aus, aber sie ist einfach ein höllischer kleiner Zeitfresser! Mal sehen, wie viele Bücher ich in nächster Zeit schaffe...
Freja (heute Morgen um 6:37)